Eine Besondere Lernleisung
mit den Schwerpunkten Kunst / Biologie
von Milena Hajer
Je mehr unansehnliche Betonburgen entstehen und je mehr die Natur aus unseren
Städten verdrängt wird, desto mehr müssen wir uns Gedanken machen
wie wir unsere Wohnansprüche ästhetisch mit der Natur vereinigen
können. In meinem Projekt beschäftige ich mich sowohl künstlerisch
als auch technisch damit wie eine solche Vorstellung umzusetzen wäre.
Im Mittelpunkt steht hierbei der Baustoff Lehm. Die verschiedenen Eigenschaften
von Lehm prädestinieren ihn als Baustoff und ermöglichen darüber
hinaus vielfältige künstlerische Gestaltungsperspektiven. Lehm hat
bereits eine lange Geschichte in der Architektur in vielen Teilen der Welt,
auch in der Tierwelt wird Lehm als Baumaterial benutzt.
Durch meine Recherchen habe ich erkannt, dass Lehm als Baumaterial sehr unterschätzt
wird und wir unsere Natur unnötig mit Betonbauten zerstören. Heute
sollte man bei der Planung zum Bau eines Eigenheims auch ein Lehmhaus in Betracht
zu ziehen. Mein Projekt bezieht sich im theoretischen Teil auf die bautechnischen
Möglichkeiten eines Lehmhauses und dessen ökologischen Vorzüge.
In meinen Text erörtere ich, wie der Baustoff Lehm in der Vergangenheit
benutzt wurde und welche Möglichkeiten sich heute auch in Verbindung mit
neuen Materialien auftun. Ich habe recherchiert, welche Erfahrungen man über
viele Jahre mit Lehm gemacht hat, ins Besondere betrachte ich die baubiologischen
Vorteile und die witterungsbedingten Probleme. Im Laufe der Zeit wurden viele
Techniken, die ich in meinem Projekt in Betracht ziehe, ausprobiert.
Im praktischen Teil meines Projektes beschäftige ich mich damit, ein ästhetisch
gut aussehendes und funktionelles Dreifamilienhaus aus Lehm zu entwerfen. Auf
der Grundlage von historischen und neuzeitlichen Lehmhäusern habe ich
eine Grundrisszeichnung angefertigt, die die genaue Raumaufteilung und Einrichtungsvorschläge
enthält. So ist ein Haus entstanden, von dem ich Zeichnungen der Seitenansichten
anfertigen konnte. Anschließend habe ich ein Modelhaus aus Ton gebaut.
Ich habe bei der Planung des Hauses nicht versucht ein Traumhaus zu erschaffen,
sondern ich habe, soweit es mir möglich war, ein zu realisierendes Haus
geplant, das sowohl funktionsfähig als auch ästhetisch hochwertig
ist. Des Weiteren habe ich mich mit den gestalterischen Möglichkeiten
von Lehm beschäftigt. Anders als andere Baustoffe bietet Lehm viele Möglichkeiten
den Bau zu einen Kunstobjekt werden zu lassen. Ich habe verschiedene Techniken
der Oberflächenbearbeitung und sonstige Gestaltungsmöglichkeiten
des Hauses, wie z.B. Kratztechniken oder Reliefs erwogen. Neben der Modellierung
von Lehm spielt auch die Bemalung, beziehungsweise der Schutz durch einen Anstrich
eine wichtige Rolle.
Wenn man die Gestaltung eines Hauses plant, muss man auch die Begrünung
mit einbeziehen. Diese „Grüne Architektur” hat durchaus auch
künstlerischen Wert. Dachterrassen und Grassdächer sollen mein Projekthaus
in die Natur einpassen.
Bei der Gestaltung habe ich mich von Friedensreich Hundertwasser inspirieren
lassen. Hundertwasser hat in seinen Architekturen durch Farbe und Form Individualität
und Phantasie ausgedrückt. Er hat der Natur und den Bedürfnissen
des menschlichen Bewohners zu entsprechen versucht. Von seiner Philosophie
und Einstellung habe ich mich bei der Planung meines Haus leiten lassen.
Während meiner Arbeit hat das Haus in meiner Vorstellung immer mehr und
mehr Gestalt angenommen. Ich habe mir viele Beispiele aus der Vergangenheit
und Gegenwart angesehen, habe die Architektur in meiner Umgebung genau betrachtet
und somit viele Eindrücke in mein Projekt hineinfließen lassen.
Hinzugekommen sind viele eigene Ideen, die das Projekt, das ich erarbeitet
habe, entstehen ließen.
Wenn man ein so umfangreiches Projekt wie das oben skizzierte durchführen
will, muss man persönlich sehr an dem Inhalt interessiert sein und es
muss mehr als nur „ein Muss” dahinter stehen.
Bei der Auswahl meines Themas, Lehmbau - Funktion und Ästhetik, war für
mich besonders die Vielfalt der zu bearbeitenden Aspekte verlockend. Informationen
aus Geografie, Geschichte, Geologie, Bautechnik und nicht zuletzt Biologie
und Kunst liefern Bausteine zu diesem Thema. Es hat sich herausgestellt, dass
dieses Thema so viele Möglichkeiten eröffnet, dass ich bald mit der
Notwendigkeit konfrontiert war, es wieder einzuschränken. Ich habe mich
dabei von der Frage leiten lassen, welche Informationen für die konkrete
Realisation meines Projektes als Anregung dienen können. Während
der Arbeit bin ich auf interessante Aspekte gestoßen, die ich nicht weiter
verfolgt habe um den Rahmen nicht zu sprengen.
Jedoch erscheint es mir, als ob ich trotzdem einen guten Einblick in das Thema
gegeben habe. Mein Thema umfasst sowohl die gestalterischen Möglichkeiten
des Lehmbaus als auch die technische Seite des Bauens mit Lehm. In ästhetischen
Bereich habe ich mich mit der Gestaltung der Gesamtkonzeption und mit der Gestaltung
der Details beschäftigt. Ich habe ein konkretes Haus beispielhaft geplant,
als Modell gebaut und theoretisch besprochen.
Ich möchte meine Ideen als Vorschläge und Anregungen verstanden wissen.
Das Haus, das ich erschaffen habe, entspricht meinen persönlichen Vorstellungen.
Ich habe alles so entworfen, dass ich mich in einem so gestalteten Haus wohlfühlen
würde.
Als die Menschen vor fast zehntausend Jahren die ersten Siedlungen errichteten, war die Lehmerde einer der ersten Baustoffe, die verwendet wurden. Heute noch lebt mehr als ein Drittel der Erdbevölkerung in Lehmbauten[1]. Besonders naturverbundene Völker haben gezeigt und zeigen immer noch, wie vielfältige Möglichkeiten es gibt Lehm im Hausbau einzusetzen. Lehm ist ein Baustoff, der wie kein anderes Baumaterial leicht zu beschaffen und zum Selbstbau geeignet ist. Zudem kann er im hohen Maße künstlerisch gestaltet werden. Lehm kann leicht plastisch modelliert werden, und auch eine Bemalung bietet sich an. Erfahrungen über den Baustoff wurden über Jahrhunderte gesammelt und erweitert. So ist es nur logisch, dass unser heutiger Lehmbau sich an der Geschichte orientiert. Es ist allerdings zu erwähnen, dass die Geschichte des Lehmbaus in Deutschland und besonders in Norddeutschland noch jung ist. Beispiele, die ich aus dem Jemen und Nordafrika heranziehe, sind keinesfalls geeignet, um in nördlicheren Regionen gebaut zu werden. Die Gründe dafür liegen sowohl in den Unterschieden der Klimazonen, als auch in den verschiedenen Wohnahnsrüchen der Bewohner. Doch, wenn die Lehmwände unseren Witterungsverhältnissen und die Qualität unseren Anforderungen angepasst werden, kann man sich doch ein Beispiel an der Konstruktion und Gestaltung nehmen. Geeigneter für eine Übernahme der Technik sind sowohl alte als auch moderne Lehmhäuser in Deutschland.
2.2-1: Lehmbauten in Terim[2] |
2.2-2: Typische Architektur Hadra-mauter Lehmbauten[5] |
2.2-3: Jemenitisches Minarett in Saua[6] |
Kulturzentren wie Rom, Athen oder Babylon sind bekannt für große
architektonische Leistungen. Aber auch die Jemeniten bauen und bauten beeindruckende
Baudenkmäler - und das aus Lehm. Als Weltstädte der Baukunst könnte
man diese Städte fast bezeichnen, denn das, was dort aus eigenem Boden
entsprungen ist, übertrifft alle Erwartungen und bringt Betrachter zum
Staunen. Man findet Hochhäuser in der Wüste (Abb. 2.2-1), aus einer
Zeit, als man in Amerika noch einstöckige Hütten aus Holz und Stroh
baute[3]. Viele Siedlungen
der Wüste bieten ein architektonisches Bild größter Fertigkeit
und zeugen von einer sehr hoch entwickelten Baukunst (Abb. 2.2-2). Doch die
Menschen, die in ihnen wohnen, stehen mit ihren Sitten und Gebräuchen
häufig noch auf der Stufe des Mittelalters.
Die Grundformen der Häuser sind viele ineinander verschachtelte Quader.
Flachdächer und Dachterrassen sind weitere Merkmale dieser Schachtelbauweise
(Abb. 2.2-1). Die Skyline der Wohnblocks ist durch regelmäßige Formen,
die durch ihre Einfachheit bestechen und eben dadurch eine große Wirkung
haben, geprägt. Typisch sind vorspringende Zinnen, wuchtige Ecktürme
und Torbögen und die Zusammenfassung eines ganzen Häuserkomplexes
zu einer Festung. Solche Lehmhäuser werden schon seit ungefähr 9000
Jahren aus Lehm gebaut[4].
Der Bau eines solchen Hauses geschieht auf folgende Art: Wenn der Bauherr erst
einmal seine Pläne entworfen hat und sie mit Handwerkern durchgesprochen
hat, sucht er sich den Platz aus, an dem das neue Haus stehen soll. Das nötige
Baumaterial ist billig. Entweder sucht man sich irgendwo im Wadi eine Stelle
mit gutem Lehmboden, gräbt so tief, bis man auf Grundwasser trifft, das
im Wadi in nicht allzu großer Tiefe vorhanden ist. Das Wasser wird abgeleitet
und der feuchte Lehm mit etwas klein geschnittenem Maisstroh vermengt und von
Menschen oder Tieren durchgetrampelt. Oder man macht es sich noch leichter,
indem man einfach dort, wo das Haus stehen soll, den Lehmboden aussticht und
in Gruben auf die gleiche Art bearbeitet. Die Ziegel, die man dann aus dieser
Masse formt, werden nur an der Luft getrocknet und erhalten durch intensive
Sonnenbestrahlung eine solche Härte, dass Bauten aus ihnen Jahrhunderte überdauern
können. Dies hat man auch an ägyptischen und mesopotamischen Lehmbauten
gesehen, die auf ähnliche Weise entstanden sind[7].
Wichtig für den Bau eines Hauses ist die Herstellung von zementartigem
Kalk, mit dem man Dächer, Türen- und Fensterrahmen ornamental bemalt.
Der abgebundene Kalk bietet den Lehmwänden einen ausgezeichneten Schutz
vor der Witterung ohne die Wand zu versiegeln. Oft werden mit damit weiße
Verzierungen auf die braune Lehmwand aufgetragen (Abb. 2.2-3).
2.3-1: Altstadt von Kano (Nigeria)[10] |
2.3-2 Mit einfachen Mitteln wird eine stark dekorative Wirkung erzielt[11] |
2.3-3[11] |
In vielen Teilen Afrikas hat die Lehmbaukultur eine lange Geschichte und bestimmt
noch heute das Bild des größten Teils der Städte und Dörfer.
In Nigeria z.B. trifft man häufig auf traditionell gebaute Lehmhütten.
In tropischen Regionen hat der seit Urzeiten anhaltende intensive Kontakt zum
Boden das Wissen um dessen Gebrauch nicht nur beim Ackerbau, sondern auch beim
Hausbau gefördert. Überall dort, wo Holz und Naturstein nicht vorhanden
sind, wird auch heute noch ein großer Teil der Häuser aus ungebrannten
oder aus leicht gebrannten Lehmziegeln errichtet. Viele dieser Behausungen
sind keine technisch aufwendigen Bauten, aber manche der traditionellen Lehmbauten
zeigen einen hohen Grad technischer Fertigkeit[8].
Man findet Häuser mit Lehmkuppeln oder Flachdächern von größter
Stabilität vor.
Aber die Beziehung des Menschen zum Boden war nie nur auf den Nutzen für
den Hausbau bezogen, sondern hatte auch stark mystische Elemente: „Die
Erde als eines der Grundelemente neben Wasser, Luft, Feuer - die Erde, von
der Mensch und Tier leben, die Erde, als Heimstatt für viele Geister und
Götter, die Erde, durch deren Beben die Götter ihren Zorn verkünden”[9],
machte die daraus gebauten Häuser zu Stätten, welche die Religiosität
und die Kreativität der Bewohner widerspiegeln. Bei der Betrachtung dieser
Häuser wird deutlich, dass sie nicht nur profane Zweckbauten sind. Diese
Tatsache zeigt sich durch Farbe und Form, die von einfachen Mustern, über
abstrakte Darstellungen, bis zu naturnahen Zeichnungen reichen. Die Außen-
und Innenwände von Wohnhütten, Speichern und religiösen Einrichtungen
sind reichhaltig verziert, so dass eine beeindruckende Wirkung entsteht. Kano,eine
Stadt in Nordnigeria, zeigt neben einer geschlossenen Gesamtkonzeption eine
Vielfalt an lebendigen Details durch ornamentalen Schmuck. Das Stadtbild weist
verschachtelte ein- bis zweistöckige Gebäude in kubistischen und
runden Grundstrukturen auf. Die Dächer sind hier ausnahmslos Flachdächer,
deren Geländer teilweise mit Zinnen und Türmchen versehen sind (Abb.
2.3-1). Im Detail, und besonders bei Häusern wohlhabender Besitzer, sieht
man reiche Dekors. Aber auch ärmere Häuser sind verziert. Wie in
Abb. 2.3-2 zu sehen, wurde eine einfache, aber wirksame Form der Dekoration
benutzt und die Fassade mit Kalk bemalt. Neben der Bemalung macht man sich
auch die Möglichkeit der plastischen Bearbeitung des Baumaterials zunutze
(Abb. 2.3-3). Wendet man sich nun den ländlicheren Gebieten zu, erkennt
man ähnlich viel Phantasie und Mühe in der Gestaltung der Lehmhütten.
Man sieht sowohl plastische als auch farbliche Gestaltungen, die zusammen mit
Verwitterungsrissen, die mit der Zeit entstehen, interessante Strukturen der
Fassaden ergeben. Manche Bewohner haben zusätzlich auch andere dekorative
Gegenstände in die Architektur eingefügt. Naturgegenstände wie
Steine und Muscheln, aber auch Gebrauchsgegenstände wie Teller verzieren
die Wände zusätzlich.
In vielen europäischen und außereuropäischen Ländern, z.B. in Russland (Wohnhäuser um 8000 v. Chr.[12]), in China (Teile der chinesische Mauer um 2000 v.Chr.[13]) oder in Mexiko (Sonnenpyamide um 300 n.Chr.[13]), hat der Lehmbau eine lange Tradition. Aber anders als in Frankreich, wo über die Technik des Lehmbaus schon 1790 ein Buch geschrieben wurde[13], ist die Lehmarchitektur in Deutschland noch relativ neu. Die wenigen Funde, die belegen, dass man Lehm als Baumaterial nutzte, stammen aus der Bronzezeit. Belegt ist auch, dass im 6. Jahrhundert v. Chr. bei den Befestigungsmauern der Heuneburg im Kreis Sigmaringen Lehmsteine vermauert wurden[14]. Üblicher hingegen, besonders im Mittelalter, war es Lehm in Verbindung mit anderen Materialien zu verwenden. Der Rohstoff wurde als Füllmaterial, als Bindemittel in Steinmauern oder als Bewurf benutzt[15]. Die Bauweise mit reinem Lehm war hingegen solange ungebräuchlich, bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts der französische Architekt Francois Cointeroux ein ins Deutsche übersetztes Buch über die Lehmbautradition in Frankreich schrieb[16]. In Deutschland bestand Interesse an den darin beschriebenen Bautechniken, doch blieb eine praktische Anwendung eher die Ausnahme. Eine der bekanntesten Regionen mit Lehmbauten aus dieser Zeit ist Weilburg an der Lahn. Hier stehen heute die meisten noch bewohnten Lehmhäuser Deutschlands. Begünstigt durch Holzmangel und die Initiative einiger Anwohner entstanden dort einige Pisè-Gebäude (auch Stampflehmhaus genannt, vgl. Kap. 5.2). Die Verbreitung blieb jedoch auf einige wenige Orte beschränkt; man bevorzugte in Deutschland immer das Bauen mit anderen Rohstoffen.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde Lehm als Baumaterial erst richtig populär. In den Jahren 1919 bis 1922 entstanden in Deutschland mehrere tausend Lehmhäuser[17]. Aber erst nach dem zweiten Weltkrieg, angesichts des Mangels an Geld und Baumaterial und wegen der Kriegsschäden und der vielen Flüchtlinge, wird wieder auf Lehm als Baustoff zurückgegriffen. Besonders in der DDR wurde der Lehmbau von der Regierung gefördert. Der extreme Mangel an Baustoffen - es fehlten Ziegel, Beton, Stahl und Holz - förderte das Interesse der Behörden am Lehmbau. Dieser Grund für den vermehrten Lehmbau förderte das ohnehin schon schlechte Image von Lehm nicht. Ein Lehmhaus galt als Notlösung, Lehm war ein „armes” Baumaterial. Doch konnte man den Vorteil des Lehmbaus nicht verleugnen. Mit zunehmender Erfahrung und verbesserten Techniken wurde ein einfacherer und billigerer Lehmbau ermöglicht. Es wurden Fachkräfte ausgebildet und Sachverständige beauftragt. Doch blieb der schlechte Ruf von Lehm erhalten, so dass die Industrie sich auf andere Rohstoffe als Baumaterial konzentrieren konnte und somit der Lehmbau in Vergessenheit geriet.
Seit Beginn der achtziger Jahre wird Lehm in Deutschland erneut als Baustoff
verwendet[18]. Ein neues
Interesse ist entstanden, und Möglichkeiten neuer Anwendungen und Produkte
werden gesucht. Einer der zentralen Gründe für die erneute Popularität
ist nun, dass Lehmbaustoffe als ökologisch hochwertig gelten. Es ist die
Folge des seit einigen Jahren anhaltenden Trends zum ökologischen Bauen.
Lehm weist Eigenschaften auf, die in dieser Hinsicht sowohl der Natur, als
auch dem Menschen zugute kommen. Dazu zählt, dass Lehm die Feuchte reguliert,
die Temperatur ausgleicht, energieunaufwendig zu gewinnen und umweltfreundlich
zu entsorgen ist (vgl. Kap. 4).
Heute steht man wieder vor den alten Problemen wie einem Mangel an Erfahrung
und an Fachkräften, eine starke entgegenwirkende Baubranche und geringes
Vertrauen ist in diesen Rohstoff als Baumaterial. Doch, anders als noch vor
wenigen Jahren, gibt es nun einen Markt für Lehm als Baustoff. Es existieren
Baufirmen, die sich auf Lehm als Baumaterial spezialisiert haben. Auch gibt
es mittlerweile Architekten und andere Fachkräfte, die umfassende Erfahrungen
beim Lehmbau gesammelt haben und diese auch anbieten. Zudem gibt es zahlreiche
Bücher, die Wissen publik machen und Selbstbauer anleiten.
Die Nutzung heutiger Technik ermöglicht den Bau von Häusern, die
sich optisch, in den statischen Möglichkeiten und in der Bautechnik (Isolierung,
Deckenkonstruktion und Wasser-, Strom- und Heizanschlüssen) erheblich
von den historischen Beispielen unterscheiden. In Verbindung mit neuzeitlichen
Materialien entstehen moderne Häuser, die die Konkurrenz herkömmlicher
Steinhäuser nicht fürchten müssen.
Nicht nur bei unseren Vorfahren war Lehm ein beliebter Baustoff, auch die Tierwelt weiß Lehm für ihre Zwecke zu verwenden. Das wohl bekannteste Beispiel unter den Tieren, die Lehm für ihre Bauten verwenden, ist die Termite. Ein anderes Beispiel, das ich aufführen werde, ist das der Wespe.
3.2-1: 5 m hohe Termitenburg[19] |
Termiten bauen im Verhältnis zu ihrer Größe atemberaubend
hohe Festungen aus Lehm. Allerdings tut das nur ein kleiner Teil aller Termiten.
Nur die bemerkenswert soziale Lebensweise der höheren Termiten erlaubt
es ihnen so komplizierte Nester zu bauen, von denen manche bis zu 8 Meter hoch
sind (Abb. 3.2-1). Termiten bauen je nach Gegend die Nester aus Erde, Lehm
oder Sand. Die Termitenart Apicotermes baut aus Lehm fußballgroße
Nester unter der Erdoberfläche. Der Innenraum ist durch Zwischenböden
in mehrere Stockwerke unterteilt, die durch Rampen und Wendeltreppen miteinander
verbunden werden. Ringkanäle und ein Netzwerk von feinen Poren in den
Außenwänden sorgen für Belüftung[20].
Eine andere Variante zeigt die Procubitermes arboricola. Um ihr Nest
vor dem Tropenregen zu schützen, baut sie es direkt an einen Baumstamm
und klebt über dem Nest an den Stamm fingerdicke Erdwülste, die wie
Fischgräten von einer Mittelachse links und rechts schräg nach unten
weisen und so das Wasser seitwärts ableiten. Die gegen fünf Meter
hohen Bauten haben 30 bis 60 Zentimeter dicke Mauern, die so hart wie Zement
sind. Durch den Lehm können die Termitenbauten, auch bei großen
Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit, konstante Verhältnisse
innerhalb des Baus halten[21].
Ein Großteil des Baus liegt häufig bis zu einem Meter unter der
Erde. In diesen großen Kellergewölben ragt ein Wald kräftiger
Säulen, der das Fundament für das darüber liegende Nest trägt,
empor.
Termiten bauen monumentale Wohnburgen mit raffinierter Klimatechnik, die menschliche
Ingenieurkunst bescheiden erscheinen lässt. Durch die Verwendung von Lehm
ist ein starkes Röhrensystem für die Sauerstoffversorgung möglich.
Damit die Luft trotz starker Schwankungen der Außentemperatur Tag und
Nacht konstant kühl bleibt, sind Arbeiter pausenlos damit beschäftigt,
einen Teil der Belüftungsröhren mit Baumaterial zu verschließen
oder wieder zu öffnen[22].
In Nigeria haben Forscher sogar Wohntürme von kriegerischen Großtermiten
entdeckt, die im Kellergewölbe eine seltsame Lehmkonstruktion installiert
haben: Um eine zentrale Stützsäule hängt von der Decke ein spiralförmig
nach außen verlaufender hauchdünner und bis zu 15 Zentimeter langer
Vorhang aus getrocknetem Lehm. Die Biologen vermuten, dies sei eine zusätzliche
Klimaanlage[23].
3.3-1: Lehmnest der Pillenwespe[24] |
3.3-2: Wespennester in Lehmwänden[27] |
3.3-3[27] |
Die über 80 000 Wespenarten haben alle ihre eigene Art und Weise sich
ihre Nester zu bauen. Dabei verwenden sie fast jedes Material, das man sich
vorstellen kann. Es reicht von Tierhaaren bis zu Pflanzenfasern. Einige Wespenarten,
darunter die Grabwespen (Sphecidae) und die Familie der Lehmwespen
(Eumeninae), benutzen Lehm für ihre Nestkammern.
Die Pillenwespe von der Familie der Lehmwespen errichtet sehr kunstvolle Urnen
aus Lehm, die an Pflanzenstängeln angebracht werden (Abb.3.3-1). Den feuchten
Lehm schaffen die Tiere fliegend in Form kleiner Kügelchen herbei. Daraufhin
verstreichen sie ihn mit den Kiefern zu einer dünnen Wand. Das fertige
Nest besteht aus einer Kugel mit aufgesetztem Hals und gleicht einem winzigen
Krug. Es wird berichtet, dass derartige Pillenwespenbauten einst den Indianern
als Vorbild für ihre Tonkrüge dienten[25].
Eine andere Art der Lehmwespen, die Gymnomerus laevipes, gräbt
Lehm aus, um es zum Bauen zu verwenden. Sie rollt Kugeln aus feuchtem Lehm
und transportiert sie zu ihrem Niststängel. Mit dem Lehm legt sie für
jede Zelle einen Innenputz an, so dass die Zellen Doppelwände aufweisen:
eine innere Schicht aus Lehm und eine zweite aus Mark. Diese Lehmwespe hat
im Verlauf der Evolution wohl zunächst ihre Lehmnester im Freien gebaut,
bis sie feststellte, dass ein Nest in einem hohlen Stängel weniger Arbeit
für die Außenwand erfordert[26].
Andere Wespenarten graben ihre Nester in Lehmwände (Abb. 3.3-2). Sie bauen
ein Tunnelsystem und Kammern zum Brüten und für Vorräte. Eindrucksvoller
sehen die Bauten einer anderen Gattung aus. Auch sie graben ihre Brutgänge
in die Lehmwand, doch verwenden sie den ausgegrabenen Lehm. Mit Hilfe ihres
Speichels können sie einen stabilen Vorbau bauen, der wie ein Schlauch
aus der Lehmwand hervorkommt und als Eingang dient (Abb. 3.3-3).
Wenn diese Tiere, die die am höchsten entwickelten Bauten der Tierwelt
bauen, Lehm als Material benutzen, sollten wir Menschen uns fragen, ob es nicht
nahe liegend ist, dass auch wir Häuser aus Lehm bauen.
Es fällt auf, dass Termitenbauten nicht schon bei dem kleinsten Regen
weggewaschen werden und auch die Bauten der Wespen bleiben länger als
nur bis zum nächsten Regen bestehen. Es ist somit anzunehmen, dass diese
Tiere nicht den ursprünglichen Lehm verwenden, sondern ihn mit Zusätzen
versehen, die den Lehm witterungsbeständiger machen. Ich denke es lohnt
sich, dies zu erforschen um dann eine nachempfundene Substanz unseren Baulehm
beizumengen. Hierzu wären allerdings umfangreiche Forschungen nötig.
Zumindest habe ich keine Literatur zu diesem Thema gefunden.
Lehmbau ist das Bauen mit Lehmbaustoffen in tragender und nicht tragender
Anwendung. Das heißt es können sowohl Außenwände, die
weitere Stockwerke und Dachkonstruktionen aushalten müssen, als auch Innenwände,
die nicht belastet werden, aus reinem oder gemischtem Lehm gebaut werden. Nicht
als Lehmbau hingegen gelten Fachwerkbauten, die lediglich mit Lehm ausgefacht
werden.
Das Know-how des Gebrauchs von Lehm als Baustoff existiert zwar schon so lange
wie sonst von keinem anderen Baustoff, aber gleichzeitig ist das moderne Bauen
mit Lehm ein neues Gebiet, auf dem altes Wissen z. T. wieder entdeckt und in
Kombination mit modernen Materialien erst einmal angesammelt werden muss. Somit
ist Lehm der älteste Baustoff und gleichzeitig der modernste. Im heutigen
Lehmbau kann man sich auf lang bewährtes Wissen der Eigenschaften von
Lehm stützen, aber auch neue technische Möglichkeiten, die erst seit
der Moderne existieren, im Lehmbau einsetzen.
Da die Zusammensetzung von Lehm regional und örtlich variiert, bezeichnet
man Lehm als nicht genormten Baustoff. Durch Abweichungen in der Zusammensetzung
zeigt Lehm verschiedene Eigenschaften und verhält sich demnach auch anders.
Dass heißt, dass keine exakten Verarbeitungsanweisungen für Lehm
gegeben werden können. Bei jedem Hausbau, und möglicherweise auch
während des Baus muss immer wieder geprüft werden, ob der Lehm auch
geeignete Materialeigenschaften aufweist, oder ob er noch durch Zusätze
verändert werden muss.
Lehm ist ein Verwitterungsprodukt aus der Gesteinsschicht unserer Erde[28].
Die Verwitterung erfolgt hauptsächlich durch mechanische Zerstörung
des Gesteins, durch Bewegung von Gletschern, Wasserläufen und Wind oder
durch Temperaturschwankungen, die das Gestein sprengen. Auch chemische Reaktionen
tragen zur Zersetzung bei.
Lehm setzt sich aus Ton, Sand und Schluff[29] zusammen.
Der Sand kann die unterschiedlichsten Korngrößen haben, die von
0,002 mm bis zu einer Größe von Feldsteinen reichen[30].
Der Lehm kann Sand gleicher Korngröße oder auch verschiedener Größen
enthalten. Der Lehm ist am stabilsten und damit auch zum Bauen am besten geeignet,
wenn das Korngerüst von gleicher Größe ist, da dann kaum Zwischenräume
entstehen, die das Gerüst schwächen würden. Außerdem ist
zu beachten, dass es runde Körnungen gibt, aber auch scharfkantige. Sand
mit vielen unregelmäßig, spitzen Körnern kann sich mit Hilfe
des Tons besser in einander verhaken.
Auch Ton, genauer Tonminerale, können verschiedene Eigenschaften haben.
Es gibt ein- und mehrschichtige Tonminerale, wobei mehrschichtige auch mehr
Wasser halten können als einschichtige. Ton wirkt wie Klebematerial, indem
er sich um die einzelnen Sandkörnchen schießt und sie so zusammenklebt[31].
Die Stärke dieser Verbindung wird als Bindekraft bezeichnet. Nach ihrer
Bindekraft werden Baulehme z.B. als „mager” oder „fett” bezeichnet,
ab einer bestimmten Bindekraft als Ton[32].
Je nach dem welches der drei Bestandteile im Lehm vorwiegt, spricht man von
einem tonigen, schluffigen oder sandigen Lehm[33].
Ein anderer Bestandteil im Lehm ist Wasser, das vom Lehm gebunden wird. Die
Art und Menge des Wassers im Lehm bestimmen wesentlich seine Eigenschaft. Man
unterscheidet drei Arten: Chemisch gebundenes Wasser, dass erst bei starker
Erhitzung entweicht, Wasser, das an die Tonminerale gebunden ist und schon
bei 105°C verdampft und Wasser, das in die mit Luft gefüllten Poren
des Lehms durch Kapillarkräfte eindringt[34].
Dieses verschwindet schon beim einfachen Austrocknen des Lehms.
Auch organische Bestandteile können den Lehm verunreinigen. Bis zu einer
Tiefe von 50 cm können Böden Pflanzenteile und Humus enthalten. Der
im Bau zu verwendende Lehm sollte aus tiefer gelegenen Schichten kommen, um
frei von organischen Bestandteilen zu sein.
Um Lehm im Bau richtig und erfolgreich einsetzen zu können muss man sich
vorher mit den Materialeigenschaften auseinandergesetzt haben. Ein großes
Problem dabei ist, dass der Lehm sich je nach Fundgrube und sogar innerhalb
einer Lehmfundstelle unterscheidet. Doch die grundlegenden Materialeigenschaften
sind in jedem Lehmvorkommen gleich. Sie ergeben Vor- und Nachteile beim Bau
mit Lehm.
Aus seiner bequemen Verarbeitung mit Wasser ergibt sich nicht nur der größte
Vorteil von Lehm, die vielfältige und plastische Bearbeitung, sondern
auch sein größter Nachteil: Lehm bekommt beim Austrocknen Schwundrisse
und ist sehr feuchtempfindlich, daher muss er gut geschützt werden. Das
Schwinden kann durch Reduzierung des Wasser- sowie des Tonanteils und durch
Optimierung der Kornzusammensetzung wesentlich verringert werden[35].
Die Feuchteempfindlichkeit kann durch andere Schutzmaßnahmen verringert
werden. Im Allgemeinen ist es nicht notwendig die Wasserfestigkeit von Lehm
durch Zusätze zu erhöhen[36].
Maßnahmen, die eine Sperrschicht gegen Bodenfeuchte, Dachüberstände,
Verkleidungen, Putze oder Anstriche einschließen, sind allerdings notwendig,
um eine Lehmwand vor der Witterung zu schützen. Geschieht dies nicht,
zeigt sich die hohe Wasserlöslichkeit von Lehm. Diese wiederum hat den
Vorteil, dass Lehm ein sehr naturnahes und umweltfreundliches Material ist.
In Ländern, in denen ein großer Teil der Häuser Lehmhäuser
sind, kann man beobachten wie ein vernachlässigtes Haus durch Wind und
Regen langsam wieder im Boden verschwindet.
Auch wenn beim Trocknen des Lehms die Wasserlöslichkeit nicht verringert
wird, verändert sich die Plastizität. Die Zunahme der Kohäsionskräfte
bewirken eine starke Druck und Biegezugfestigkeit, der Lehm ist plastisch nicht
mehr formbar.
Wichtig für die Wahl des Baustoffes ist der k-Wert, der Wärmedurchgangskoeffizient.
Dieser gibt die wärmedämmende Fähigkeit des jeweiligen Materials
wieder. Der k-Wert ist abhängig von der Wärmeleitzahl λ (W/
mK), von der Dicke und der Feuchtigkeit des Baumaterials[37].
Je kleiner die Wärmeleitzahl und daraus abgeleitet der k-Wert sind, desto
besser kann eine Wand Wärme halten. Diese Speicherungsfähigkeit hängt
von der Menge der Luft, die in der Wand vorhanden ist, ab. Das erklärt,
warum man auch von der Rohdichte auf die wärmedämmende Eigenschaft
eines Stoffes schließen kann. Je geringer die Rohdichte ist, desto mehr
Luft ist in dem Material eingeschlossen. In der Tabelle 4.3-1 sind die Rohdichte
und die Wärmeleitzahl verschiedener Lehmbaustoffe im Vergleich mit anderen üblichen
Baumaterialen aufgestellt. Es ist zu beachten, dass ein erheblicher Unterschied
zwischen den verschieden aufbereiteten Lehmen besteht. Verglichen mit Vollziegeln
zeigt sich, dass Lehm und Ziegel eine annähernd gleiche Wärmedämmwirkung
haben. Auch bei Beton spielt die Art des Betons eine große Rolle. So
hat Normalbeton einen vergleichsweise hohen Wert, während Porenbeton eine
erheblich niedrigere Wärmeleitzahl aufweist. Von den aufgeführten
Stoffen haben Holz, Porenbeton und Leichtlehm einen günstigen Wert.
Material | Rohdichte ρ [kg/m3] | Wärmeleitzahl λ [W/mK] |
---|---|---|
Massivlehm, Lehmförmlinge | 1800 - 2000 | 0,95 - 1,20 |
Strohlehm | 1400 - 1600 | 0,60 - 0,80 |
Leichtlehm | 800 - 1200 | 0,30 - 0,50 |
Vollziegel, Hochlochziegel | 1200 - 2000 | 0,50 - 0,95 |
Normalbeton | 2200 - 2400 | 1,60 - 2,10 |
Dampfgehärteter Porenbeton | 400 - 800 | 0,14 - 0,23 |
Buche, Eiche | 800 | 0,20 |
4.3-1: Bemessungswerte der Wärmeleitfähigkeit von Lehmbaustoffen und Vergleichsbaustoffen nach DIN V 4108- 4, Oktober 1998[38]
Lehmbaustoffe gelten als ökologisch besonders wertvoll. In den meisten
Teilen der Welt kann Lehm regional und naturverträglich gewonnen werden
oder fällt beim Kelleraushub sogar als Abfall an. Dann kann Geld und Energie
beim Transport gespart werden. Die Aufarbeitung zu einem hochwertigen Öko-Baustoff
ist mit geringem Energieaufwand erreichbar. Lehm benötigt bei der Aufbereitung
und Bearbeitung im Gegensatz zu anderen Baustoffen sehr wenig Energie. Er braucht
nur etwa 1 % der Energie, die für die Herstellung von Mauerziegeln oder
Stahlbeton notwendig ist[39];
somit trägt die Gewinnung des Baustoffes kaum zur Umweltbelastung bei.
Auch die Entsorgung von Lehmbaustoffen ist völlig problemlos.
Daher glaube ich nicht zu übertreiben, wenn ich behaupte, dass Lehm das
umweltfreundlichste Baumaterial unserer Zeit ist.
Recycling, also eine Wiederaufbereitung von Lehm ist nicht nur möglich, sondern auch noch einfach und kostengünstig. In Ländern mit traditioneller Lehmbaukultur mag diese Wiederverwendung ganz unbewusst geschehen. Indem die Häuser verfallen, verschwindet auch immer mehr Material wieder im Erdreich, welches wieder in einem anderen Haus Verwendung finden kann. Bei uns in Europa bietet sich eine bewusste Wiederaufarbeitung an. Das Einzige, was den in Hauswänden verarbeiteten Lehm fehlt, ist Wasser. Fügt man dieses hinzu, besteht kein Unterschied mehr zu dem Lehm aus den Lehmgruben. Es sei denn, er wurde vorher mit Stroh, Häcksel oder Ähnlichem aufbereitet. Dies gibt dem Lehm jedoch zur Wiederverwendung nur noch einen höheren Wert und auch der Rückgabe in die Natur bietet dies kein Hindernis. Das heißt, neu aufbereitet ist Lehm wieder ein vollwertiger Baustoff oder auch ein in der Natur vollständig eingepasster Rohstoff. Verstärktes Bauen mit Lehm träg zur Recourcenschonung bei, da im Vergleich wenig Holz benötigt wird und der Lehm als Baustoff nicht verbraucht, sondern nur gebraucht wird.
Lehmbaustoffe sind ungeformte oder geformte Baustoffe aus ungebranntem Lehm mit oder ohne Zuschlägen. Lehmbaustoff ist dadurch gekennzeichnet, dass er durch Austrocknen fest und jederzeit durch Feuchtigkeitsaufnahme wieder weich wird[40]. Für die verschiedenenartig aufbereiteten Lehme gibt es auch unterschiedliche Bauarten. Ich habe drei von Grund auf verschiedene Bauweisen recherchiert. Dabei ist zu erwähnen, dass diese Methoden schon eine lange Tradition haben und sich über die Jahre kaum verändert haben. Es wurden Lehmbau Regeln verfasst, die die Qualiätsanforderungen sichern, die Qualitätsprüfverfahren festlegen, die Verarbeitungsrichtlinien geben, die Schutzmaßnahmen während der Bauphase festlegen und Verfahren für den Oberflächenschutz aufführen[41].
Der Stampflehmbau ist in allen Erdteilen als traditionelle Wandbauweise bekannt[42].
Mit Hilfe einer Schalung wird Lehm gestampft, so dass bei Abnahme der Schalung
eine massive Lehmwand zum Vorschein kommt. Immer eine horizontale Schicht
von Handflächenbreite wird aufgeschüttet und verdichtet. Traditionell
gibt es Stampfwerkzeuge, doch heute wird in Industrieländern motorisiertes
Gerät vorgezogen. Die Schalung besteht aus einem Bretterkasten, wobei
die Querverstrebungen noch zusätzlich stabilisiert werden müssen,
damit die Schalung beim Stampfen nicht gesprengt wird[43].
Der Lehm wird erdfeucht verwendet und sollte mager sein, um Schwundrisse zu
vermeiden, aber auch zu sandiger oder poröser Lehm ist ungeeignet[44].
Auch pflanzliche oder mineralische Beimengungen sind möglich. Pflanzliche
Faserstoffe erhöhen den Isolationswert und steinige Lehme verringern die
Schwindung bei besonders fetten Lehmen[45].
Die Stampflehmbauweise kann bei tragenden Bauelementen angewendet werden, aber
wegen des zu geringen Isolationswertes sollte diese Bauweise in unseren Breiten
nicht als einziges Element einer Außenwand dienen.
Eine Stampflehmbauwand zeichnet sich durch eine sehr hohe Festigkeit aus. Häuser,
die mit dieser Technik gebaut wurden, halten über Jahrhunderte. Auch eine
weitere zum Schutz gedachte Oberflächenbehandlung ist nicht unbedingt
notwendig. Im Vergleich mit anderen Methoden ist der Kosten-, Zeit- und Materialaufwand
eher groß.
Leichtlehm ist eine Mischung aus Lehm und leichten Zuschlagstoffen, die das
spezifische Gewicht des Lehms herabsetzen und seine Wärmedämmeigenschaften
verbessern. Lehm kann entweder mit Stroh oder Holzhackschnitzeln vermengt werden.
Auch Lehmmischungen mit Blähton oder mineralischen Zuschlagstoffen gelten
als Leichtlehm. Leichtlehm hat auch wärmespeichernde und schallschützende
Eigenschaften und sorgt so für eine ausgeglichene und angenehme Wohnatmosphäre.
Beim Leichtlehmbau übernimmt ein Tragskelett immer die tragende Funktion.
Das Skelett kann auf verschiedene Arten erbaut werden. Zu beachten ist dabei,
dass die Senkrechten das gesamte Gewicht der nächsten Stockwerke und die
Dachlast aushalten müssen. Um den Leichtlehm zu einer Wand aufzuschichten
gibt es generell zwei Methoden. Entweder wird eine festangebrachte, dauerhafte
Verschalung aus Flechtmaterial oder Holzlatten errichtet oder auch ein Schalungssystem,
dass nach der Fertigstellung des Mauerabschnittes abgenommen und weiterverwendet
wird.
Ist man mit der Ständerkonstruktion fertig, kann der aufbereitete Leichtlehm
in die Schale eingebracht und mit einfachem Gerät soweit verdichtet werden,
dass die Schale vollständig und hohlraumfrei verfüllt ist. Aber eine
möglichst hohe und nicht mehr zu steigernde Komprimierung, wie beim Stampflehmbau,
ist nicht angestrebt[46].
Nachdem die Wand durchgetrocknet ist, ist eine zweilagige Verputzung notwendig,
um die Wand vor der Witterung zu schützen.
Lehmsteinwände werden aus ungebrannten Steinen und Lehmmörtel in üblicher
Mauerwerkstechnik errichtet. Grünlinge[47],
Lehmsteine und Leichtlehmsteine werden mit geringem Energieaufwand hergestellt
und sind für Innenwände hervorragend geeignet. Für Außenwände
ist der Lehmsteinbau ungeeignet, da solche Wände neben ihrem eigenen Gewicht
kaum zusätzliche Lasten aufnehmen können. Es werden entweder selbst
geformte oder industriell hergestellte Steine verwendet. Sie werden dann mit
Lehmmörtel gemauert. Bei der Eigenproduktion von Lehmsteinen ist zu beachten,
dass der verwendete Lehm mittelfett bis fett sein sollte[48].
Dadurch werden eine möglichst hohe Druckfestigkeit und eine gute Wärmespeicherfähigkeit
erlangt. Auch wenn fetter Lehm benutzt wird, sind Schwundrisse bei einem so
kleinen Format unwahrscheinlich. Bei Selbstherstellung benutzt man Formrahmen
oder auch Handpressen.
Lehmsteinwände verbessern das Wohnraumklima erheblich. Sie können
große Mengen Luftfeuchte absorbieren und geben sie zeitversetzt wieder
an die trockene Raumluft ab[49].
Außerdem verhindern Lehmwände eine schnelle Erwärmung der Wohnräume
im Sommer bzw. am Tage und eine zu rasche Auskühlung im Winter bzw. in
der Nacht. Die Tabelle 5.3-1 zeigt den Vergleich der Außen- und Innentemperaturschwankungen
eines Lehmhauses und eines Gebäudes aus Beton.
5.3-1: Vergleich der Innen- und Außentemperaturschwankungen in einem Testgebäude mit Lehmgewölbe (links) und einem Testgebäude (rechts) aus Betonfertigteilen[50]
Anhand dieser ausführlichen Nachforschungen und vieler Überlegungen
habe ich ein zeitgemäßes Lehmhaus entworfen. Ich habe versucht sowohl
historische, als auch moderne Komponenten in mein Haus einzuplanen und Bauweisen
aus anderen Ländern mit heimischen so zu kombinieren, dass ein harmonisches
Ganzes entsteht.
Ich habe versucht mit meinen Plänen der Arbeit eines Architekten zu entsprechen,
doch habe ich jegliche statische Berechnung außer Acht gelassen, das
heißt jedoch nicht, dass ich unrealistische Entwürfe gefertigt habe.
Das Haus, das ich entworfen habe, ist ein Privathaus, das drei Familien mit
Kindern Platz bieten soll. Die verplante Grundstücksgröße beträgt
ca. 636 qm. Dabei haben die einzelnen Appartements eine Größe von
186, 176, und 142 qm.
s. Anhang A
Um mein Projekt auch aus der Perspektive einer davor stehenden Person zu verdeutlichen
habe ich von allen 4 Seiten ein Aufriss-Schrägbild angefertigt[51].
Dies ermöglicht einen dreidimensionalen realistischen Eindruck und verdeutlicht
im Gegensatz zum Grundriss eher die Form und den Charakter des Hauses, als
die praktische Nutzung. Die Zeichnungen bieten als Ergänzung zum Modell
selbst eine konkrete Vorstellung des Zusammenspiels von Hauswand, Fenstern
und Türen. Die Begrünung, die Bemalung und die Türme habe ich
jedoch mit Aquarell in die Zeichnung eingefügt, um den Eindruck der Funktion
und des ästhetischen Reizes zu vermitteln, ohne die Linien und Formen
des Baukörpers verschwinden zu lassen. Die kupfernen Dachüberstände
habe ich mit einem Filzstift gemalt. Die einzige Farbe der Bemalung ist Ultramarinblau.
Der Grund für die Wahl dieses geringen Farbspektrums ist, dass ich die
Wirkung der natürlichen Lehmfarbe erhalten, und nicht durch andere Farben
davon ablenken will. Außerdem harmoniert das Blau sehr gut mit der Kupferfarbe,
die die Fassaden entscheidend gestaltet. Wenn das Kupfer mit der Zeit Grünspan
ansetzt, passt auch diese Farbe zum Haus.
Im Gegensatz zum Modell wird das verwendete Baumaterial weder durch Farbe noch
durch die Struktur sichtbar gemacht. Der charakteristische Eindruck, den Lehmbauten
hinterlassen, ist in diesen Zeichnungen nicht widergespiegelt.
Die gewählte Perspektive verschafft nicht nur Sicht auf jeweils zwei der
Fassaden, sondern auch auf die Dächer. Dies hat bei meinem Projekt eine
besondere Bedeutung, da ich für die Dächer vielfältige Benutzungsmöglichkeit
vorgesehen habe. Es wird deutlich, dass ich drei Dachterrassen eingeplant habe.
Jeweils eine Terrasse gehört zu einem Appartement. Die Terrassen haben
eine Größe von 7, 12 und 28 Quadratmetern. Sie sind so gelegen,
dass ein Einblick von den anderen Wohnungen schwer oder unmöglich ist.
So ist eine größtmögliche Privatsphäre gegeben. Diese
Absicht wird durch das Geländer der Dachterrassen noch unterstützt.
Zum einen sieht die Zeichnung vor das Geländer an gegebenen Stellen höher
zu ziehen und zum anderen sind die Geländer aus massivem Lehm. Ich habe
auch eine Verwendung der Materialien Holz oder Metall in Erwägung gezogen,
dies aber wieder verworfen, da ich sonst auf Holz als sichtbaren Bestandteil
des Baus vollständig verzichtet habe und zuviel Metall als Bauelement
das Gleichgewicht des Gesamteindrucks zerstört hätte. Zudem sind
die Geländer ein wichtiges Gestaltungselement, da ich durch sie die bisher
gerade Form des Baus durchbrochen habe und unregelmäßige Wellen
eingefügt habe. Diese wiederholen sich noch in den Überständen
(vgl. Kap. 7.1).
Für den an der nord-westlichen Seite befindlichen Turm habe ich verschiedene
Turmspizen entworfen. In jeder Seitenansicht habe ich eine andersartige Spitze
mit Aquarellfarben angedeutet. Doch lässt sich die tatsächliche Wirkung
dieses Bauelements erst im Modell erkennen.
6.4-1: Minoisches Lehmarchitkturmodell[53] |
Der Bau des Modells war sehr zeitaufwendig und hat viel Mühe gekostet. Um dem Aussehen des geplanten Hauses möglichst nahe zu kommen, habe ich das Modell aus Ton gebaut[52]. Ton ist ein Bestandteil des Lehms, da es aber keinen Sand enthält, lässt er sich feiner verarbeiten. Außer einem Beispiel aus der antiken Kultur Kretas hatte noch nie zuvor von einem Modellhaus aus Ton gehört, doch schien mir dies nahe liegend. Das tönerne Hausmodell (s. Abb. 6.4-1) aus der Zeit der Minoer um 1700-1500 v. Chr. diente wahrscheinlich nur zu Zwecken der Veranschaulichung. Das Modell zeigt ein einstöckiges Steinhaus mit zahlreichen architektonischen Details wie z.B. Fenstern, Balkenkonstruktionen und Säulen. Die Modellgröße liegt bei etwa 40x 45x 30 cm.
Der Maßstab meines Modells ist 1:50, daraus ergibt ein Grundriss von
etwa 31 mal 41 cm. Dieser Maßstab hat sich als praktisch erwiesen, da
das Projekt so noch handlich ist und trotzdem die wesentlichen Dinge des Baus
erkennbar sind. Ausgegangen bin ich von dem fertig gestellten Grundriss des
Erdgeschosses. Aufgeklebt auf eine Holzunterlage, bietet er eine gute Grundlage
um das Haus aufzubauen.
Beim Bau des Modells zeigten sich deutlich die Vorteile und auch die Nachteile
von Ton. Bei dem Arbeiten mit feuchtem Ton hat er sich als sehr geeignet erwiesen,
da er in jede denkbare Gestalt formbar ist. Ich bin so vorgegangen, dass ich
als erstes alle Wände des Erdgeschosses ausgerollt und zurechtgeschnitten
habe. Es war dann relativ einfach die Wände zusammenzufügen und anschließend
mit Schlicker[54] zu
verkleben. Hier ergab sich der Vorteil, dass das Haus, solange es feucht war,
immer wieder umgeformt werden konnte. Auch konnte ich eventuelle Konstruktionsfehler
einfach korrigieren. Allerdings hatte ich nicht genügend bedacht, welche
Probleme das Trocknen des Tons auch in einen so kleinen Maßstab mit sich
bringt. Risse und schiefe Mauern waren die Folge. Aber glücklicherweise
ist Ton ein sehr geduldiger Baustoff, den man immer wieder aufweichen kann
um Verbesserungen vorzunehmen. Nachdem ich diese Prozedur einige Male wiederholt
hatte, waren auch die Ecken rechtwinkelig und auch die Schwundrisse hielten
sich in Grenzen. Mit der ständigen Nässe meines Modells zeigte sich
bald ein weiterer Nachteil. Das Holz der Unterlage war aufgequollen, hatte
den Lack über dem Papiergrundriss gesprengt und das Papier schimmeln lassen.
Ich entschied mich alles wieder abzubauen und auf einen neuen, sauberen Untergrund
zu setzen.
Nun konnte ich endlich den ersten Stock in Angriff nehmen. Damit der Grundriss
des Erdgeschosses sichtbar bleibt, entschied ich mich, eine Plexiglasplatte
in der Größe des Grundrisses zurecht zu sägen und dort den
ersten Stock aufzusetzen. Diese Idee war an sich gut, nur dass ich nicht an
die Gebrechlichkeit des Tons im trockenen Zustand gedacht hatte. Die Plexiglasplatte
war so dünn, dass sie sich unter dem Gewicht des Tons verbog und großen
Schaden anrichtete. Wieder musste ich alles abbauen, eine dickere Platte kaufen,
zurechtsägen und wieder alles in die ursprüngliche Position zurückstellen.
Beim ersten Stock habe ich um die Übersichtlichkeit zu wahren größtenteils
auf die Trennwände innerhalb eines Appartements verzichtet. Als Ersatz
habe ich diese auf die Plexiglasplatte aufgemalt.
Der zweite Stock erwies sich nun als bedeutend einfacher zu bauen. Die Grundfläche
war erheblich kleiner und auch die Zahl der Trennwände hatte sich reduziert.
Die Dachterrassen habe ich mit einen wellenförmigen Geländer aus
Ton versehen.
Nun konnte ich auch damit anfangen die Fenster und Türen zu schneiden.
Dazu musste der Ton die richtige Feuchtigkeit haben, da er bricht, wenn er
zu trocken ist. Ist er zu matschig, kann man ihn nicht richtig schneiden. Die
Fenster habe ich aus optischen Gründen möglichst regelmäßig
angeordnet. Es bot sich an, Fenster von 2 cm Breite und Abstände von 1
cm oder auch 2 cm zu konstruieren (1cm = 1/2m). Durch die Schrumpfung des Materials
ließen sich diese Maße nicht immer exakt erreichen und auch die
Winkel weichen minimal vom rechten Winkel ab, aber der optische Eindruck entspricht
im Endeffekt meiner Vorstellung.
Soweit war der Rohbau meines Projektes fertig. Bei der Austrocknung kamen noch
zahlreiche Schwundrisse hinzu, doch die Stabilität blieb, soweit ich festgestellt
habe, erhalten.
Als weitere Gestaltungselemente habe ich wellenförmige Überstände über
den Fenstern angebracht. Wie für die Realität geplant (vgl. Kap.
7.1), habe ich auch im Modellbau Kupfer verwendet. Als einzige Bemalung des
Hauses habe ich blaue Farbe bei den Überständen aufgetragen (vgl.
Kap. 6.3). Andere ästhetische Gestaltungsmöglichkeiten habe ich am
Modell nicht ausgeführt.
Bei der Planung meines Projektes standen die Zweckmäßigkeit und
die künstlerische Gestaltung des Baus in Vordergrund. Es ist mir wichtig,
dass ein Haus nicht einfach nur nett anzusehen, sondern auch zweckmäßig
bewohnbar ist. Schon bei dem Grundriss habe ich die Zweckmäßigkeit
zusammen mit dem künstlerischen Aspekt beachtet. Zwar war meine Absicht,
eine Grundfläche aus mehreren Quadraten als Basis zu nehmen, doch habe
ich gleichzeitig Überlegungen zur praktischen Nutzung angestellt. So habe
ich darauf geachtet, dass die Fenster der verschiedenen Appartements nicht
gegenüber liegen und dass jede Wohnung durch die Ausrichtung nach der
Himmelsrichtung, vorwiegend nach Süden, aber auch nach Westen und Osten,
genügend Sonne bekommt. Auch habe ich die Terrassen so angelegt, dass
sie nicht von einer anderen Wohnung einsehbar sind und dass durch den verwinkelten
Bau die Lärmbelästigung durch die Nachbarterrassen gedämmt ist.
Bei der Innenaufteilung habe ich auf kurze Wege zu Küche und Essplatz
und zum Bad und dem Schlafzimmern geachtet.
Es hat sich herausgestellt, dass es vorteilhaft ist, sich zunächst über
den praktischen Bezug jedes Elementes des Baus klar zu werden und dann den
künstlerischen Aspekt einzubeziehen. Dies ist sinnvoll, da Kunst sehr
variabel ist, die Funktion eines Bauelements aber nur im geringen Maße.
Das hat sich besonders bei der Suche nach einem geeigneten Schutz für
die Lehmwände gezeigt. Wie schon vorher erwähnt brauchen Lehmhäuser
in nördlichen Gegenden einen besonderen Schutz. Zu den gebräuchlichen
Praktiken, die ich recherchiert habe, gehören Kalkanstriche, der Bau des
Hauses auf einem Sockel oder das Untermengen von Kasein in das Baumaterial.
Doch sind sich alle Experten darin einig, dass dies zwar hilft, aber doch keinen
effektiven oder wenigstens dauerhaften Schutz bietet. Ich stelle mir vor diese
Vorgehensweisen auch auf mein Haus anzuwenden, doch möchte ich den Schutz
der Wände noch durch Überstände vergrößern. Auch
hierfür gibt es schon einige Beispiele in der Architektur. Häufig
wurden große Dachüberstände gelassen oder auch Stahlkonstruktionen
an der Hauwand angebracht. Ich war also auf der Suche nach einem wetterfesten
Material, das die Funktion eines Dachüberstandes erfüllen kann, leicht
zu verarbeiten und kostengünstig ist. Meine Wahl fiel auf Kupfer, da Kupfer
wetterbeständig und leicht zu verarbeiten ist. Der Preis ist gerechtfertigt,
wenn man es als künstlerisches Element des Baus einsetzt. Das Kupferblech
kann gebogen werden und sich so jeder Form anpassen. Ich habe mir vorgestellt
und es auch am Modell ausgeführt, dass das Kupfer in eine gewellte Form
gebracht wird und so auch mit der Form des Terrassengeländers harmoniert.
Sowohl die ursprüngliche Farbe als auch die Farbe im verwitterten Zustand
passt gut zum Lehm.
Dies ist nur ein Beispiel für künstlerische Gestaltung am Bau. Bei
jedem Haus bietet sich eine solche Gestaltung, die aus Zweckkomponenten ein
künstlerisches Element macht, an.
Das Baumaterial und die Planung des Hauses bieten weitreichende Möglichkeiten mein Projekt künstlerisch zu gestalten. Es werden viele Anregungen geboten, während des Baus oder auch nachträglich künstlerische Elemente hinzuzufügen. Im Folgenden habe ich verschiedene Techniken und Anregungen, die ich praktisch nicht ausgeführt habe, theoretisch dargelegt.
Die Oberflächengestaltung des Lehms bietet sich sowohl an den Innenwänden
als auch an den Außenwänden an. Die Kratztechnik spielt hierbei
eine wichtige Rolle. Sgraffito, auch Graffito, (von italienisch sgraffiare:
kratzen), wurde ursprünglich für Zeichen und Symbole, die auf Mauern
und Felswände eingeritzt wurden, gebraucht. Die Technik des Sgraffito
ist besonders seit dem 13. und 14. Jahrhundert verbreitet, so finden sich beispielsweise
an den Fassaden von Renaissancepalästen häufig farbenprächtige
ornamentale Sgraffitoeffekte[55].
Solange der Lehm noch feucht ist, können mit verschiedenen Geräten
wie z.B. einer gezahnten Mörtelkelle, einem Pinsel oder einer Harke verschiedene
Muster entstehen. Diese können einfache Wellen oder Linien, aber auch
kompliziertere Muster sein. Hier erscheint es wieder sehr nützlich, dass
der Lehm sich, solange er im nassen Zustand ist, immer wieder glattstreichen
lässt und man von neuem anfangen kann. Bei der Entscheidung, wie und ob
die Technik des Sgraffito benutzt wird, spielt die individuelle Vorstellung
eine große Rolle. So kann man sich entscheiden Innenräume vollkommen
glatt zu lassen und vielleicht später sogar zu tapezieren oder unauffällige
Muster mit geringer Tiefe entstehen zu lassen. Auch sind auffällige Muster
mit breiteren und tieferen Kratzspuren vorstellbar.
Wenn man bei der Gestaltung der Wände Akzente setzen und die Sgraffito Technik noch erweitern will, bieten Mosaike, also die Zusammenstellung von farbigen Fliesen oder Steinen eine perfekte Möglichkeit. In Steinhäusern sind Mosaike eher ungebräuchlich, da sie nur schwer in das Mauerwerk eingearbeitet werden können. An Lehmwänden hingegen ist es einfacher Steine aller Art in die feuchte Wand einzusetzen. Mosaike sind ein schon seit der Antike viel gebrauchtes Mittel um ein Haus künstlerisch zu gestalten und zu verschönern. Man versteht unter Mosaiken häufig ein Wandbild, das mühsam und zeitaufwendig aus vielen Steinchen zusammengesetzt wird. Ich aber möchte darauf hinweisen, dass dies nicht die einzige Möglichkeit ist, die ein Mosaik bietet. Andere mögliche Varianten können aus freien Formen und Mustern bestehen und mehr durch Zufälligkeit als durch Präzision bestechen. Muscheln können die gestalterischen Möglichkeiten noch erweitern. Ich kann mir solche Mosaike sowohl and den Außen- als auch an den Innenwänden vorstellen, einzeln oder ein Muster ergebend; die gestalterischen Möglichkeiten sind auch hier unbegrenzt.
Auch Reliefs haben schon eine lange Geschichte in der Baukunst sowohl im asiatischen
Raum als auch in der europäischen Antike. Reliefs sind Verzierungen der
Wand, die stärker ausgeprägt sind als Kratzmuster, aber auch nicht
eine solche räumliche Tiefe wie Skulpturen haben. Ein Relief lässt
Figuren oder Ornamente aus der Ebene hervortreten. So vereinigt es die dreidimensionalen
Eigenschaften der Plastik mit den linearperspektivischen Gesetzmäßigkeiten
und Möglichkeiten der Zeichnung[56].
Das Relief ist eine Bilderkunst, das im Gegensatz zu einem freiplastischen
Werk an eine Fläche gebunden ist. Sie eignen sich besonders für Wände,
die in den Blickpunkt geraten. Wieder kann in den feuchten Lehm gekerbt werden,
aber es können auch Teile angefügt werden um mehr Plastizität
zu erreichen. Je nach dem Grad der Erhebung über dem Grund unterscheidet
man Hochrelief und Flachrelief.
Die plastische Arbeit an den Wänden mit Lehm ist vergleichbar mit Stuckdekorationen.
Stuck ist ein Gemisch aus Sand, Kalk und Wasser und eventuell Leim. Man findet
Fassaden mit Stuckarbeiten und auch stuckverzierte Zimmerdecken. Ein wichtiger
Unterschied der beiden Materialien ist jedoch, dass sich Lehm nach dem Trocknen
wieder viel leichter auflöst und so schneller verwittert als Stuck. Bei
einer Außenwand ist diese Problematik zu bedenken. Natürlich kann
die Verwitterung durch Schutzmaßnahmen aufgehalten werden.
Die Bemalung des Hauses ist ein einfaches Mittel, ein Haus kreativ zu gestalten.
Es erfordert nur geringes Fachwissen, aber dafür ein großes Maß an
Kreativität. Wieso denken so viele ein Haus müsse immer weiß oder
grau sein? Mein Projekt fordert gerade dazu auf unregelmäßige und
spielerische Muster aufzutragen. Die größten Architekten ersinnen
in monatelanger Arbeit einen Prachtbau. Dieses Gebäude mag prägnante
und extravagante Formen und Linien besitzen, aber am Ende kommt häufig
nur ein großer grauer Klotz heraus, dem man nur bei genauerem Hinsehen
seine Feinheiten entnimmt. Doch sollte Kreativität nicht viel offensichtlicher
und spontaner sein? Ich glaube, dass eine künstlerische Bemalung, welche
die Formen des Baus unterstreicht und erweitert, viel einfacher und zudem auch
kostengünstiger und zeitsparender ist als manche moderne Architektur.
Es ist notwendig zu beachten, dass nur diffusionsfähige Farben verwendet
werden. Man kann sowohl selbst hergestellte Kaseinfarbe als auch im Baumarkt
erhältliche Dispersionsfarbe verwenden.
Zudem ergibt sich beim Lehmbau eine weitere Möglichkeit der farblichen
Gestaltung. Da Lehm ein Farbspektrum, das von schwarzblau bis ockerfarben reicht,
aufweist, ist eine interessante Bemalung mit den Eigenfarben des Lehms möglich.
Je nach Vorkommen sind die Farben des Lehms unterschiedlich, manchmal unterscheitet
sich der Lehm auch innerhalb eines Fundortes. Bei dieser Art der Farbgestaltung
entgeht man auch dem Problem eine für den Lehmbau geeignete Wandfarbe
zu finden, da der aufgetragene Lehm selbst diffusionsfähig ist.
Es fällt auf, dass Häuser, die eine großzügige Begrünung
aufweisen, häufig wohnlicher und auch schöner wirken. So bezeichnen
wir eine nackte Betonwand als hässlich, aber sobald sie mit Efeu oder ähnlichen
Kletterpflanzen bewachsen ist, kann sich der Betrachter an ihrem Anblick erfreuen.
Natürlich kann eine solche Begrünung auch Nachteile haben. So muss
sie gepflegt werden, Laub muss entsorgt werden und auch Schäden am Haus
selbst können auftreten. Doch trotzdem empfinde ich eine üppige Begrünung
für ein Haus von größter Bedeutung für das Wohnbefinden,
da Pflanzen ästhetisch reizvoll sind und dazu im Sommer Schatten spenden
können.
Ich habe mich entschlossen eine Begrünung mit Hilfe von Rasenflächen,
Pflanzkästen, Kletterpflanzen, Dachrasen und Dachterrassen zu erreichen.
Neben dem Naturfarbton des Lehms bietet die Begrünung noch zusätzliche
schöne und natürliche Grünfarben.
Dachterrassen sind ein Gestaltungselement im Hausbau, das hier in Deutschland
sehr wenig Verwendung findet. Dies liegt zum Teil daran, dass Flachdächer
in regenreichen Regionen schwierig abzudichten sind und Satteldächer solche
Terrassen nicht zulassen. In südlicheren Ländern hingegen, wo es
auch viele Flachdächer gibt, entstehen häufig auch Dachterrassen.
Dabei geht es nicht nur darum dem Menschen mehr Platz zu geben sondern auch
darum die Natur mehr mit einzubeziehen. Deshalb schlage ich vor Dachflächen
einzurichten und großzügig zu begrünen. Allerdings ist hierbei
zu beachten, dass sie 100% abgedichtet und Abflussmöglichkeiten für
das Regenwasser vorhanden sind. In vielen Großstädten besteht ein
drastischer Mangel an ebenen Freiräumen und Nutzflächen[57].
Doch scheinen dies heutige Architekten noch nicht einzuplanen. So liegen riesige
Flächen auf den Hausdächern brach und viel ungenutzte Fläche
geht verloren. Dabei bieten Dachterrassen viele Vorteile. Sie sind hochwertige
Lebensräume in unmittelbarer Wohnungsnähe und für Verkehrslärm
und Abgase, für Fremde und Störenfriede schwerer erreichbar als ein
Vorgarten.
In Hinblick auf meinen Versuch flächensparend zu bauen, erweisen sich
Dachterrassen auch als gute Möglichkeit Grundstücksfläche zu
sparen. Die drei Dachterrassen, die ich in meinem Projekt eingeplant habe,
bieten in jeden Fall genug Platz für Tisch und Stühle und eine Bepflanzung.
Die Lehmgeländer sind so geplant, dass eine genügende Breite vorhanden
ist, um Pflanzkübel oder Ähnliches darauf zu befestigen oder auch
in den Lehm zu formen. Weiterhin habe ich auf den Dächern des zweiten
Stockes Grasdächer eingeplant. Grasdächer sind eine gute Möglichkeit
die Flächen, die bei einem Hausbau entstehen wieder der Natur zurückzugeben.
In dem von mir gewählten Baukörper fügen sich Grasdächer
perfekt ein. Sie können auf allen Dachflächen, die nicht als Dachterrasse
benutzt werden, angelegt werden. Es ist allerdings zu bedenken, dass Grasdächer
besonders vieler Arbeit und ständiger Pflege bedürfen. Dies kommt
besonders auf nur schwer zu erreichenden Flächen zum tragen. Es gibt jedoch
Gärtnereien, die sich auf für Dachflächen geeignete Pflanzen
spezialisiert haben.
Eine ausreichende Begrünung der Dächer hat auch baubiologische Vorteile.
So erwärmt sich ein nicht begrüntes Flachdach an einem heißen
Sommertag bis auf 80 Grad, während sich ein begrüntes Dach nicht über
40 Grad erwärmt[58].
Auch kann die Vegetation Staub und die schadstoffbeladene Stadtluft filtern.
Friedensreich Hundertwasser hat mit seinen zum Teil sehr radikalen und der
modernen Architekturphilosophie entgegenlaufenden Theorien wieder Werte in
den Vordergrund geschoben, die lange vernachlässigt wurden. Wie er mehrfach äußert,
steht für ihn als Künstler die Menschenwürde und die Harmonie
mit der Natur an erster Stelle[59].
Die Kunst, die durch diese Ideale entsteht, ist einzigartig und hat einen Reiz,
der gerade in der heutigen Zeit auf fruchtbaren Boden fällt.
So ist Hundertwasser heute international berühmt. Er erarbeitete sich
Ansehen durch seine Zeichnungen und später durch Werke, die heute als
auflagenstarke Plakate weit verbreitet sind. In seinen Arbeiten sind häufig
die Gesetze einer Logik außer Kraft gesetzt. Landschaften und Häuser
in allen möglichen Farben stehen auf dem Kopf und kaum einmal entdeckt
man in seinen Bildern eine gerade Linie, der man folgen kann. Viele dieser
stilistischen Mittel, die man in seinen Bildern vorfindet, entdeckt man auch
in seiner Architektur, der er sich später zuwandte. Nun manifestierte
sich durch seine Projekte, die versuchen, die Bedürfnisse von Mensch und
Natur in Einklang zu bringen, auch seine Philosophie, die er vorher so deutlich
nur in seinen Reden ausdrücken konnte. Dies sind die „ ... Vorstellungen über
die Vereinbarkeit von architektonischer Funktionalität mit besseren Lebensverhältnissen
und Umweltgesichtspunkten.”[60]
Hundertwasser plante und realisierte zahlreiche Bauprojekte, wobei er als Häuserbauer
und „Architekturdoktor” wirkte. Vorangehend waren jeweils Zeichnungen
und Modelle der Architekturprojekte. Seine Zeichnungen unterscheiden sich drastisch
von den exakten Skizzen anderer Architekten. Auch zeigen sich Veränderungen
zwischen dem Geplanten und der letztendlichen Ausführung. Der Bauablauf
erfolgt nicht nach einem erstarrten Modell, sondern als ein für Änderungen
und Verbesserungen offener Prozess[61].
In diesem Umgang zeigt sich Architektur als etwas Lebendiges, das sich verändert
und sich den Verhältnissen anpassen kann. Ein Ausdruck dieser Lebendigkeit
ist die enge Verbundenheit seiner Architektur mit Bäumen und Pflanzen.
Eine großflächige Begrünung fehlt in keiner seiner Bauprojekte;
Sie zeigt „...dass das Wohlergehen und die Würde des Menschen im
Themenkreis seines künstlerischen Schaffens einen zentralen Stellenwert
einnehmen.”[62]
8.2-1: Architekturmodell der Kindertagesstätte in Heddernheim 1987/88[63] |
Wie bereits erwähnt, habe ich mich bei der Konstruktion, Gestaltung, dem Modellbau und der Hausbemalung von Hundertswassers Architekturprojekten inspirieren lassen. Ich habe mehrere seiner verwirklichten Projekte eingehend studiert. Dabei hat mir ein Projekt besonders zugesagt. Die Kindertagesstätte in Heddernheim scheint mir ein beispielhaft gelungenes Projekt zu sein. Gestalterisch ist es sehr anspruchsvoll, und auch die Ideen hinter dem Projekt gefallen mir sehr. Wie in vielen seiner Projekte hat Hundertwasser die Dächer fast hundertprozentig genutzt. Sie sind begrünt und vollständig begehbar. Im Grundriss lassen sich kaum rechte Winkel entdecken, wobei das die Funktionalität, die ich von meinem Projekt verlange, einschränkt. Im Ganzen sind sämtliche Linien des Bauwerkes sehr spielerisch. Dies gibt dem Haus einen sehr freundlichen Charakter. Zu den bestimmenden Bauelementen gehören zwei Türme. Auch Säulen gehören zu den charakteristischen Bauelementen. Die Bemalung konzentriert sich die Umrahmungen der Fenster. Jedes Fenster ist individuell anders gestaltet. Neben normalen Fensterformen gibt es auch runde und große Glasfenster.
Schon die Bauweise meines Projektes zeigt, dass es an historische Bauten anknüpft. Lehm an sich hat schon etwas Ursprüngliches und Natürliches. Zusätzlich habe ich die Schachtelbauweise aus dem Jemen als Grundstruktur gewählt. Auch wenn ich einige Komponenten hinzugefügt und andere weggelassen habe, entsteht doch der Eindruck und die Ausstrahlung eines solchen Hauses. Doch bei der Bemalung, die ich favorisiere und auch an meinem Modellhaus angebracht habe, habe ich mich nicht an historische Vorbilder gehalten. Auch verbinde ich in meinem Projekt den alten Baustoff mit neuen Baumaterialien. Am deutlichsten zeigt sich dieses bei den Überständen, die aus Kupfer sind. Allerdings ist zu erwähnen, dass die Bauweise sich über die Jahrhunderte wenig verändert hat und dadurch die Tradition historischer Bauten in meinem Haus weiterlebt.
Beim Vergleich mit anderen Lehmhäusern, die in jüngster Zeit in
Deutschland und Umgebung entstanden sind, lassen sich mehr Unterschiede als
Gemeinsamkeiten feststellen. Dies mag an der Tatsache liegen, dass hinter meinem
Projekt eine grundsätzlich andere Idee als hinter vielen anderen modernen
Lehmhäusern steht. Heute greifen viele zu Lehm als Baumaterial, da die
Bauherren ein energiepolitisch verantwortungsvolles und naturschonendes Haus
haben wollen. Diese Tatsache steht bei meinem Projekt im Hintergrund. Im Vordergrund
steht jedoch, dass mein Projekt zusammen mit der Natur ästhetisch wirkt
und dennoch ein nach funktionellen Gesichtspunkten geplantes Haus ist. Gemeinsamkeiten
mit heutigen Lehmbauten ist die Kombination von alten und neuen Baustoffen.
Doch ein gewaltiger Unterschied ist, dass man bei vielen heutigen Lehmhäusern
nicht erkennt, dass es sich um ein Lehmhaus handelt.
Es wird heutzutage lediglich darauf geachtet, dass die baubiologischen Vorteile
von Lehm beim Bau mit eingeplant werden, nicht aber dass das Baumaterial selbst
bei der Gestaltung des Hauses eine Rolle spielt. Ich hingegen möchte die
Wirkung eines Lehmhauses mitsamt allen gestalterischen Möglichkeiten herausarbeiten,
so dass man das Haus sofort als ein Lehmhaus erkennen kann.
Von allen Vorbildern, die ich herangezogen habe, ist das Werk Hundertwassers
wahrscheinlich am deutlichsten in meinem Projekt erkennbar. Besonders bei der
Betrachtung des Modells lassen sich Parallelen feststellen. Aber auch die Theorie,
die hinter meinem Projekt steht, wurde von Hundertwasser beeinflusst. In beiden
Fällen war es keinesfalls meine Absicht Hundertwasser zu kopieren oder
gleichzukommen. Es ergibt sich bei derartigen Projekten, dass ähnliches
schon vorher da war und vergleichbare Ideen schon mal gedacht wurden. Mein
Entwurf enthält Elemente, die auch in Hundertwassers Werk vertreten sind.
An die Idee ein Haus aus Lehm zu bauen schließen sich die Vorstellungen
einer grünen Architektur und einer ästhetischen Gestaltung an. Besonders
bei der Begrünung meines Hauses ist Hundertwasser mir ein großes
Vorbild gewesen. Grassdächer und eine Bepflanzung der restlichen Dachflächen
spielen sowohl in seiner Architektur als auch in meinem Projekt eine große
Rolle. Auch die Ausführung dieser Begrünung im Modell ist ähnlich.
Hundertwasser verzichtete häufig darauf künstlichen Rasen und Pflanzenimitate
im Modell einzusetzen, sondern er erreichte durch den Einsatz getrockneter
Blumen und Pflanzenteile einen viel authentischeren Eindruck. Auch ich habe
die Rasenfläche der Gärten mit Moos gestaltet und Bäume und
Blumen mit getrockneten Pflanzenteilen dargestellt. Dies verleiht meinem Modell
denen von Hundertwasser eine gewisse Ähnlichkeit.
Hundertwasser merkte einmal an, dass die gerade Linie „gottlos und unmoralisch”[64] sei.
So hat er viele seiner Projekte mit möglichst wenigen rechten Winkeln
und mit vielen geschwungenen Linien geplant. Mein Projekt hingegen beruht auf
der geraden geometrischen Form, beeinflusst vom Funktionalismus der Bauhaus
Architekten. Die Nutzung des Hauses ist dabei maßgebend für die
Gestaltung. Bei den Fenstern führt jede Abweichung von der Norm zu einer
Explosion der Kosten. Als Kontrast habe ich runde, gewellte Formen in Geländern
und Überständen verwendet. Ich vertrete nicht den radikalen Standpunkt,
die gerade Linie sei unmoralisch, doch sehe ich einen Reiz die gerade, rechtwinklige
Wand durch ungerade Linien zu unterbrechen.
Andere Bauelemente, die man häufig in Hundertwassers Werk vorfindet, sind
Türme. Mit Vorliebe gestaltet er Gebäude mit Zwiebeltürmen.
Auch ich habe Türme für mein Projekt geplant. Der Turm an der Südostseite
dient der ästhetischen Aufwertung des Hauses. Er soll die eher gerade
Fassade dieses Teils des Hauses erweitern. Dabei habe ich mich nicht auf einen
Turm festgelegt, sondern verschiedene Ausführungen vorgeschlagen, darunter
einen Zwiebelturm wie Hundertwasser ihn in seiner Architektur verwendet. Außerdem
habe ich einen Pyramiden-, einen Schnecken- und einen Kugelturm vorgeschlagen.
Auch die Fassadenbemalung kann ich mir gut im Hundertwasserstil vorstelle.
Eine individuell kreativ gestaltete Fassade macht ein Haus zu einem Kunstobjekt,
wie ein jedes Projekt von Hundertwasser es ist. In meinem Modell habe ich eine
farbintensive spontane, aber dennoch zurückhaltende Bemalung gewählt.
So sind die Ideen Hundertwassers mehr in dem theoretischen Teil der Fassadengestaltung
als im Modell selbst vertreten.
In Hundertwassers Texten sehe ich viele meiner Gedanken ausgedrückt. Es
ist allerdings zu bemerken, dass Hundertwasser nie den Lehmbau selbst in den
Mittelpunkt gerückt hat. Viele seiner Projekte vertreten die ökologische
und grüne Architektur, doch hat er diese nie mit Lehm als Baumaterial
geplant.
Nach der Recherche von umfassenden Maßnahmen gegen die Verwitterung
des Lehmhauses kann dieses Haus auch in nördlichen Teilen Deutschlands
erbaut werden. Allerdings ist zu beachten, dass das Haus nicht in unmittelbaren Überschwemmungsgebieten
erbaut wird. Wenn doch die Gefahr einer Überschwemmung besteht, sollte überlegt
werden, ob eine wasserbeständige Plattform unter dem gesamten Haus nötig
ist. Um die Transportkosten gering zu halten, sollte ein Standort ausgewählt
werden, der schon vorhandene und geeignete Lehmressourcen bietet, oder wo der
Anfahrweg möglichst kurz ist. Ich kann mir dieses Projekt sowohl in einem
Vorort einer Stadt, als auch auf dem Land vorstellen. Da ich das Haus so geplant
habe, dass möglichst viele Menschen angenehm auf einer kleineren Grundfläche
leben können, ist es besonders für die Verwirklichung im Vorstadtgebiet
geeignet.
Der Bau eines Lehmhauses erfordert im Gegensatz zu Stein- oder Holzhäusern
ein Fachwissen, das leicht zugänglich ist und sich durch die Erfahrung
im Bau erweitern lässt. So bietet die Realisierung eines Lehmhauses die
Möglichkeit, dass der Bauherr sich selbst maßgeblich am Bau beteiligt.
Dies ermöglicht eine erhebliche Kostensenkung. Es ist allerdings anzumerken,
dass Experten für Bau eines solchen Hauses Beratung und Anweisung von
Fachkräften dringend empfehlen. Eine weitere Einschränkung der Kosten
für den Lehm und dessen Aufbereitung lässt sich durch gute Planung
und die Entscheidung über den Standort erreichen. Es ist in jedem Fall
zeitaufwendig und erfordert viel Mühe. Die Bauzeit sollte so ausgewählt
werden, dass man gleich nach dem letzten Frost mit dem Bau anfängt, damit
das Haus spätestens mit Beginn des nächsten Winters fertig ist.
In meiner Arbeit habe ich gezeigt, dass es möglich ist ökologisches
Bauen mit ästhetischer Gestaltung zu verbinden.
Es ist nicht meine Absicht ein geschlossenes künstlerisches Konzept vorzustellen,
sondern es geht mir darum, die Vielfalt der Möglichkeiten bei der Gestaltung
mit Lehm aufzuzeigen. Es ist anknüpfen an die weit zurückreichende
Tradition Gebrauchsgegenstände künstlerisch zu gestalten. Damit rücke
ich die Gestaltung bewusst in den Bereich des Kunsthandwerks. Das eigentliche
Kunstwerk ist hier das Konzept, ein Werk nicht durch Berufskünstler, sondern
durch die späteren Nutzer entstehen zu lassen. Da das Material den künstlerischen
Ausdruck bestimmt, wird das Ergebnis immer einem ästhetischen Anspruch
genügen.
Es wäre interessant zu sehen, ob es gelingt Bauen mit Lehm aus der Nische
der Modellprojekte herauszuholen und ins Zentrum innovativer Bauprozesse zu
rücken. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass das Bauen mit Lehm sowohl
vom Wohnklima als auch von der Gestaltung des Stadtbildes vorteilhaft ist.
Es ist anzustreben Lehmbau zu einem relevanten Faktor der Bauwirtschaft zu
entwickeln. Doch sind wir heute noch weit von diesem Ziel entfernt. Momentan
werden in Deutschland erst wenige Häuser aus Lehm gebaut, aber ein Trend
zum Lehmhaus ist abzusehen. Drei Probleme, die der Lehm gegenüber dem
Ziegel-, Beton- oder Stahlbau hat, sind seine geringere statische Belastbarkeit,
das schlechte Image und die längere Bauzeit. Der statische Nachteil von
Lehmbauten ist gerade bei Häusern mit geringer Geschosszahl klein. Auch
kann man das Image von Lehmbauten als arme Leute und Nachkriegszeit Baumaterial
durch Aufklärung verbessern. Mein Projekt soll ein Schritt in diese Richtung
sein.
Bellman 1999 | BELLMAN, Heiko: Der neue Kosmos Insektenführer. Stuttgart 1999 |
---|---|
Breidenbach 2000a | BREIDENBACH, Peter: Lehmsteinwände, in: Claytec Arbeitsblatt 1.2. Viersen 2000 |
Breidenbach 2000b | BREIDENBACH, Peter: Leichtlehmwände, in: Claytec Arbeitsblatt 1.3. Viersen 2000 |
Breidenbach 2000c | BREIDENBACH, Peter: Stampflehmwände, in: Claytec Arbeitsblatt 1.1. Viersen 2000 |
Brockhaus 1990 | Brockhaus-Enzyklopädie, 19. Aufl. Bd. 13. Mannheim 1990 |
Cerutti 1998 | CERUTTI, Herbert: Ein Haus wie ein Berg, 1998. - URL: http://www-x.nzz.ch/folio/archiv/1998/08/articles/cerutti.html (24.07.03) |
Dachverband Lehm e.V. 1999 | Dachverband Lehm e.V. (Hrsg.): Lehmbau Regeln. Braunschweig/ Wiesbaden 1999 |
Dehn 1975 | DEHN, W.: Die Heuneburg beim Talhof unweit Riedlingen. Köln 1975 |
Dethier 1982 | DETHIER, J (Hrsg.): Lehmarchitektur. München 1982 |
Encarta 2002 | ENCARTA, Microsoft: Enzyklopädie. 2002 |
Grzimek 2000 | GRZIMEK, Bernhard: Gzimeks Tierleben (Insekten). Augsburg 2000 |
Günther 1994 | GÜNTHER, Kurt: Die große farbige Enzyklopädie, Urania Tierreich Insekten. Berlin 1994 |
Helfritz 1936 | HELFRITZ, Hans: Vergessenes Südarabien, Wadis, Hochhäuser und Beduinen. Leipzig 1936 |
Helfritz 1978 | HELFRITZ, Hans: Marokko Berberburgen und Königsstädte des Islam; ein Reisebegleiter zur Kunst Marokkos. Köln 1978 |
Huber 1997 | HUBER, Anne-Louise; KLEESPIES, Thomas; SCHMIDT, Petra: Neues Bauen mit Lehm. Staufen bei Freiburg 1997 |
Hundertwasser 1996 | HUNDERTWASSER, Friedensreich: Hundertwasser- Architektur. Köln 1996 |
Kirchbauhof GmbH | KIRCHBAUHOF GmbH; Materialkunde für Eilige, in: Modernes Bauen mit Lehm. - URL: http://www.kapelle-versoehnung.de/lehm/geschichte/materialkunde.htm (21.07.03) |
Knieriemen 1993 | KNIERIEMEN, Heinz; SCHILLBERG, Klaus: Naturbaustoff Lehm, 2. Aufl. Aarau 1993 |
Lander 1980 | LANDER, Helmut; NIERMANN, Manfred: Lehm-Architektur in Spanien und Afrika. Königsstein im Taunus 1980 |
Lenze 2001 | LENZE, Wolfgang: Fachwerkhäuser restaurieren- sanieren- modernisieren. Stuttgart 2001 |
Leszner 1987 | LENSZNER, Tamara: Lehm-Fachwerk - Alte Technik - neu entdeckt. Köln 1987 |
Mathey 1985 | MATHEY, J. F.: Hundertwasser. Naefels 1985 |
Mehl 1987 | MEHL, Ulrike; WERK, Klaus, 14 Häuser in lebendigen Grün. Niedernhausen 1987 |
Minke 1999 | MINKE, Gernot: Lehmbau-Handbuch, 4. Aufl. Staufen bei Freiburg 1999 |
Pfeifer 2002 | PFEIFER, Maria: Insekten: Lehmwespe (Gymnomerus laevipes) - Lehmbauarbeiten, 2002. - URL: http://www.arthropods.de/insecta/hymenoptera/vespidae/gymnomerusLaevipes04.htm (26.07.03) |
Rand 1993 | RAND, Harry: Hundertwasser. Köln 1993 |
SIA 1994 | SIA: Regeln zum Bauen mit Lehm, Dokumentation D 0111, April 1994. - URL: http://www.iglehm.ch/download/SIALehmbauregeln.pdf(08.08.03) |
Stäger 1957 | STÄGER, Robert: Baukunst der Insekten. Bern 1957 |
Striedter 1982 | STRIEDTER, Karl H.: Lehmarchitektur in Weilburg an der Lahn, aus: Lehmarchitektur
- die Zukunft einer vergessenen Bautradition Deutsches Architekturmuseum Frankfurt/Main 1982. - URL: http://www.kapelle-versoehnung.de/lehm/geschichte/lehmweilburg.htm(21.07.03) |
Volhard 1995 | VOLHARD, Franz: Leichtlehmbau. Heidelberg 1995 |
Warlamis 2001 | WARLAMIS, Efthymios; Geheimnis Hundertwasser.Graz/Wien/Köln 2001 |
Wines 2000 | WINES, James: Grüne Architektur. Köln 2000 |
Südliche Ausrichtung
Maßstab: 1: 87
Maßstab: 1: 100
Nordansicht
Ostansicht
Westansicht
Südansicht
[1] Dethier (1982).
[2] Quelle: Helfritz (1936),
nach S. 16.
[3] Helfritz (1936), S.
47.
[4] Minke (1999), S. 13.
[5] Quelle: Helfritz (1936),
nach S. 72.
[6] Quelle: Helfritz (1936),
nach S. 48.
[7] Helfritz (1936),S.
48f.
[8] Lander (1980), S. 6.
[9] Lander (1980), S. 4.
[10]Lander (1980), S.
106.
[11] Lander (1980), S.
110f.
[12] Minke (1999), S.
13f.
[13] Striedter 1982.
[14] Dehn (1975), S.
88.
[15] Minke (1999), S.
15.
[16] Striedter (1982).
[17] Minke (1999), S.
16.
[18] Dachverband Lehm
e.V. (1998), S. 13.
[19] Bildquelle: http://www.ingrids-welt.de/reise/aus/htm/fauterm.htm
[20] Grizmek (2000),
S. 136f.
[21] Grizmek (2000),
S. 141.
[22] Grizmek (2000),
S. 141f.
[23] Cerutti 1998.
[24] Bildquelle: Grizmek
(2000), S. 488.
[25] Grizmek (2000),S.
488.
[26] Pfeifer (2002).
[27] Grizmek (2000),
S. 488.
[28] Minke (1999), S.27.
[29] Schluff ist sehr
feiner Sand.
[30] Kirchbauhof gGmbH.
[31] Kirchbauhof gGmbH.
[32] Dachverband Lehm
e.V. (1998), S. 3.
[33] Minke (1999), S.
27.
[34] Minke (1999), S.
30.
[35] Minke (1999), S.
18.
[36] Minke (1999), S.
74.
[37] Minke (1999), S.
289.
[38] URL: http://www.ziegel.de/Normen/050001010100000A%20LTB%20-%20GesamtÜbersicht/050001010100000A0E9.htm
[39] Minke (1999), S.
19.
[40] Dachverband Lehm
e.V. (1998), S. 17.
[41] URL: http://www.iglehm.ch/download/SIALehmbauregeln.pdf
[42] Minke (1999), S.
96.
[43] Huber (1997), S.
11f.
[44] Dachverband Lehm
e.V. (1998), S. 21.
[45] Knieriemen (1996),
S. 79.
[46] Breidenbach (2000b),
S. 1.
[47] Grünlinge sind
die ungebrannten Ziegel einer Ziegelei.
[48] Huber (1997), S.
11.
[49] Breidenbach (2000a),
S. 1.
[50] Minke (1999), S.
57
[51] s. Anhang B
[52] für Bilder
s. Anhang C
[53] Antonis Vasilakis:
Das Archäologische Museum Iraklion, Athen
[54] Schlicker ist in
Wasser eingeweichter Ton, der die Funktion des Mörtels übernimmt.
[55] Encarta 2002: Sgraffito
[56] Encarta 2002
[57] Hundertwasser (1996),
S. 156.
[58] Hundertwasser (1996),
S. 156.
[59] z.B. Hundertwassers
Kommentar seines Projektes Frankfurt-Heddernheim, Rand (1993), S. 38f.
[60] Rand (1993), S.
24f.
[61] Mathey (1985), S.
89.
[62] Rand (1993), S.
24.
[63] Quelle: Hundertwasser
(1996), S. 226.
[64] Hundertwasser (1996),
S. 48.